Mindful learning wurde vom rororo-Verlag ins Deutsche mit "Kluges Lernen" übersetzt. Das Gegenteil von mindfulness ist mindlessness (hirnlos, gedankenlos, blind, geistlos, unbeseelt), das wohl jeder kennt. Gemeint ist die menschliche Tendenz, auf Autopilot zu schalten, das zu tun, was man immer getan hat, oder das zu tun, was alle tun. Es ist stereotypisches, mechanisches Handeln. Auswendiglernen ist eine Form mechanischen Lernens, wenn es nur das fotografische Gedächtnis oder Lautwiederholung benutzt. Oft ist den Betroffenen gar nicht klar, dass sie mechanisch handeln und lernen.
Im Folgenden einiges aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie:
Unter dem Begriff Kluges Lernen versteht Ellen J. Langer, Psychologie- Professorin an der Harvard University, sich Neuem und Unbekannten aktiv zuzuwenden, offen zu sein für Lernsituationen, Sachverhalte aus immer neuen Blickwinkeln zu betrachten und sich eigene Lernstrategien zu schaffen (so die Beschreibung im auf Deutsch erschienen Buch mit gleichnamigem Titel).
Mindful learning
"Mindful learning" (kluges Lernen) orientiert sich an Langers Konzept "mindfulness". Dieses Wort wird meist mit "Achtsamkeit"/"Aufmerksamkeit" übersetzt; Langer versteht den Begriff "mindfulness" jedoch in einem größeren Kontext; deshalb erscheint das deutsche Wort "Klugheit" als angemessene Übersetzung.
Wem oder was folgt die Aufmerksamkeit? Die naive Vorstellung von Aufmerksamkeit ist die einer festen Fixierung auf den Gegenstand der Betrachtung. Wer aber schon mal unvoreingenommen beobachtet hat, was passiert, wenn man seine Aufmerksamkeit auf ein Bild oder einen Gegenstand zu fixieren versucht, weiß, dass diese naive Vorstellung nicht stimmt: Die Gedanken schweifen ab. Das wird als persönliches Problem mangelnder Konzentrationsfähigkeit empfunden. Man müsse sich nur mehr anstrengen, dann würde es klappen. Das redet man sich selber ein oder es wird einem eingeredet. Dabei geht es jedem so. Nur ist nicht jeder ehrlich damit."Sitze still und höre darauf, was der Lehrer sagt." Das ist die Prägung aus dem Schulalltag. Die Aufmerksamkeit folgt aber nicht dem Alten, dem Unlebendigen, dem Unwichtigen. Mit genügend Abstraktion fällt es jedem Schüler leicht, jeden Lerngegenstand als schon mal gesehen, als unlebendig oder unwichtig hinzustellen. Dann fühlt sich der Schüler sicher, in bekanntem Gewässer, dem Lehrer endlich nicht mehr unterlegen. Die andere Seite der Medaille ist, dass er damit sein eigenes Lernen verhindert. Zumachen und innerer Stillstand sind die Kehrseite einer gut ausgeprägten Abstraktionsfähigkeit. Abstraktion wird dann zum Lernverhinderer. Wenn man mit seinem eigenen Leben genauso verfährt, dann wird erst im Altersheim mit Verbitterung die Frage gestellt: "Soll das alles gewesen sein?" Das ist konsequente Hirnlosigkeit (mindlessness) bis zum bitteren Ende.
Wem oder was folgt die Aufmerksamkeit? Dem Interessanten, dem Neuen, dem Wichtigen. Die Aufmerksamkeit folgt der Neu-Gier. Was ist neu? Was ist interessant? Was ist spannend? Was ist wichtig? Das hängt sowohl von der Person als auch vom Gegenstand des Lernens ab. Wenn das Neue, das Interessante und Wichtige immer nur außerhalb der Lehrveranstaltung gesucht wird, findet auch nur dort wirkliches Lernen statt. Schon Albert Einstein sagte über den Schul- und Hochschul-Betrieb, er wundere sich, dass dabei noch halbwegs vernünftige Menschen heraus kämen. Er hatte vieles grundsätzlich Falsches im Schul- und Hochschul-Betrieb wahrgenommen und konnte sich dem nur durch sehr viel Eigensinn entziehen. Seinen starken Eigensinn "Ich mache es auf meine Weise" empfand er als seine Rettung. Warum sollte man vor diesem Hintergrund dann als Dozent es seinen Studierenden übel nehmen, wenn diese eigensinnig sind? Ein guter Dozent versucht nicht, seine Studierenden zurecht zu biegen, damit sie in das gerade herrschende Wissenschaftsschema passen, sondern ihre individuellen Stärken auszubauen und neue Lösungswege zu entdecken.
Zurück zur Lernenden-Perpektive: Wie kann der oder die Lernende die eigene Aufmerksamkeit wecken, wachrufen, ins Leben rufen? Mit der Frage "Was ist neu?". Genauer: "Was ist für mich neu an dem heutigen Thema?", "Was habe ich heute dabei gelernt?", "Welche Erkenntnisse sind für mich dabei neu?", "Welche Kompetenzen sind für mich neu?", "Welche Gedanken, welche Gefühle habe ich heute zum ersten Mal erlebt?", und das andauernd ohne Ausnahme. Alles gehört dazu. Dieser grundlegende Wechsel in der Grundhaltung des Lernenden kann nicht von außen kommen. Aber woher soll ein inneres Bedürfnis erwachsen? Meistens leider erst aus Niederlagen oder gar Katastrophen. Damit wären wir beim Thema "Investiere in die Niederlage" von Josh Waitzkin (s.u.).
Die deutsche Übersetzung des englischen Begriffs "agil" ist das deutsche Wort "lebendig". Woran liegt es, dass im Deutschen der Begriff "agil" nicht wirklich übersetzt wird, sondern über "agile Methoden", "agiles Vorgehen" oder "Agilität" gesprochen wird? Weil den Deutschen "Lebendigkeit" im Zusammenhang mit Schule, Hochschule, Projekten, Management und Software-Entwicklung so fremd ist. Dann werden lieber Fremdworte benutzt. Hier sind manche Amerikaner viel weiter und hier gibt es noch einiges zu lernen und nachzuholen. Gerade hinsichtlich des Aspektes der Lebendigkeit hinken wir hinterher.
Die sieben Mythen des Lernens
In ihren Untersuchungen zeigt sie auf, wie Mythen bzw. Grundhaltungen nicht nur das Lernen, sondern auch das Lehren erschweren. Die sieben Mythen, denen sie in ihrem Buch "Kluges Lernen" nachgeht, sind die folgenden:
- Die Grundlagen müssten so gut gelernt werden, dass sie zur zweiten Natur würden.
- Aufmerksam sein heiße, sich auf eine Sache eine bestimmte Zeit lang zu konzentrieren.
- Die Bedürfnisbefriedigung müsse aufgeschoben werden.
- Die Ausbildung gehe nicht ohne mechanisches Auswendiglernen.
- Vergessen sei problematisch.
- Intelligent sein heiße, zu wissen «was da draußen los sei».
- Es gäbe richtige und falsche Antworten.
Das Festhalten an diesen Mythen und Grundhaltungen führe dazu, dass Kreativität erstickt, Fragen abgewürgt und die Selbstachtung untergraben werde. Doch überall wo diese Mythen wirksam seien, so Langer, gebe es die Gelegenheit zu klugem Lernen.
Literatur
Ellen J. Langer, Kluges Lernen. Sieben Kapitel über kreatives Denken und Handeln. rororo-Sachbuch, 2001. ISBN 349961121X
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